Grundrente, Mindestrente, Respektrente - neu oder ein alter Hut?

Auszug aus einem Bericht DAK-VRV Aktuell 02/19

Die heute geführte öffentliche Diskussion gibt auf diese Frage absolut keine oder viele falsche Antworten. Die Fakten werden wissentlich verdreht, überzogen oder ignoriert – je nach parteipolitischer Linie. Für eine Antwort muss man sich die Mühe machen, die letzten zwei Rentenreformgesetze genauer anzusehen. Unser Kollege Lothar Poguntke hat das für Sie getan. Das Thema ist sehr diffizil, dementsprechend muss die Antwort auch auf einer anspruchsvollen Argumentation fußen. Für den, der qualifiziert mitreden will, ist das Leben oftmals kompliziert.

Die Eingangsthese

Der derzeitige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung – Hubertus Heil (SPD) – propagiert eine in einem festen Betrag ausgewiesene Grundrente, die auch Respektrente genannt wird. Mit dieser Rente soll, wer ein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, im Alter deutlich besser abgesichert sein als jemand, der nicht gearbeitet hat. Soweit, so gut. Ist das denn alles neu?

Historie von 1972 bis 1992

Bereits in dem Rentenreformgesetz 1972 gab es erste Ansätze für die Anhebung der damals so genannten Werteinheiten (heute: Entgeltpunkte). Ziel war es damals, dass alle Pflichtbeitragszeiten vor dem 1.1.1973 mit einem Einkommen von mindestens 70 v.H. des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten bewertet werden, wenn der Verdienst tatsächlich niedriger war. Die Gesetzesvorlage ist entstanden zu Zeiten des Kabinetts Brandt I (SPD/FDP), in dem der Gewerkschafter Walter Arendt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung führte.

Voraussetzung für die Mindestrentenregelung war, dass der Versicherte 35 und mehr Versicherungsjahre nachweisen konnte. Das waren damals „nur“ „Pflicht“-Beitrags- und Ersatzzeiten; Anmerkung: seit dem 1.1.1986 kamen auch die Zeiten der Kindererziehung im Umfang von zunächst 12 Monaten hinzu. Weitere Voraussetzung war, dass eine ganztägige Beschäftigung ausgeübt wurde. Aus der Gesetzesbegründung: Unterschreitet der Monatsdurchschnitt der Werteinheiten einen bestimmten Wert, so wird unterstellt, dass der Monatsdurchschnitt nur deshalb so niedrig ist, weil der Versicherte über längere Zeit eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hat, deren Bewertung nicht verbessert werden soll.

Im weiteren Zuge der Gesetzesberatungen wurden die geforderten 35 Versicherungsjahre auf 25 reduziert und der Wert auf 75 v.H. angehoben. Die Neuregelung trat zum 1.1.1973 in Kraft. Sieht man sich die Voraussetzung von 25 Jahren an, so muss man feststellen, dass nach dem damaligen Wertebild, dass die Ehefrau zu Hause die Kinder erzieht, diese „Hausfrau“ leer ausgegangen ist, da sie als Hausfrau ja keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat.

Rentenreformgesetz 1992 = heute geltendes Recht

Mit einigen Modifikationen wurde diese Regelung übernommen. Aus der Gesetzesbegründung für das Rentenreformgesetz 1992:

Seit der Rentenreform 1972 werden niedrige Pflichtbeiträge auf 75 v.H. des Beitragswertes für ein Durchschnittsentgelt angehoben, soweit die Pflicht-beiträge für Zeiten bis 31.12.1972 einschließlich gezahlt wurden und der Rente mindestens 25 Versicherungsjahre ohne Zeiten der freiwilligen Versicherung und Ausfallzeiten zugrunde liegen. Durch diese Anhebung niedriger Pflichtbeiträge – die sog. Renten nach Mindesteinkommen – werden überwiegend Frauen begünstigt; beim Rentenzugang 1987 wurde etwa jede fünfte Rente an Frauen und etwa jede 25. Rente an Männer angehoben. Bei den zukünftigen Rentenzugängen sollen auch niedrige Pflichtbeiträge in den Jahren 1973 – 1991 angehoben werden können. Eine Anhebung von niedrigen Pflichtbeiträgen soll jedoch nur erfolgen, wenn die Wartezeit von 35 Jahren mit rentenrechtlichen Zeiten erfüllt ist. Zu diesen rentenrechtlichen Zeiten zählen auch Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bis zum 10. Lebensjahr des Kindes und Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege, so dass die Änderung der Voraussetzung für Frauen mit Kindern und Pflege-personen künftig eher eine Erleichterung als eine Erschwerung ist. Der Durchschnitt der niedrigen Pflichtbeiträge soll auf das 1,5fache des erreichten Wertes angehoben werden, wobei jedoch durch die Anhebung der Wert von 75 v.H. des Durchschnitts-entgelts nicht überschritten werden darf. Die Anhebung auf das 1,5fache wird bewirken, dass lange Beitragszeiten mit sehr niedrigen Pflichtbeiträgen aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung im Vergleich zu einer entsprechenden Vollzeitbeschäftigung nicht unverhältnismäßig angehoben werden.

Dies bedeutet, dass die Pflichtbeitragszeiten vor dem 1.1.1992 entsprechend und individuell angehoben werden. Ergibt sich beispielsweise ein Monatsdurchschnitt aus allen Pflichtbeiträgen (die nicht mit einer anderen Zeit zusammentreffen) von 6,5000 Entgeltpunkten, so werden diese 6,5000 mit 1,5 multipliziert und ergeben 9,7500; da mit diesem Wert der Wert von 7,5000 Entgeltpunkten (das entspricht 75 v.H. des Durchschnittseinkommens) überschritten wird, erfolgt eine Begrenzung auf 7,5000 Entgeltpunkte pro Monat. Die Berechnung ist – zugegebenermaßen – kompliziert und wenig durchschau-bar. Aber: Verstehen Sie Ihre Stromrechnung?

Ein Argument, das im Zuge dieser Mindestrentenregelung auch immer wieder zu hören ist: Wir haben ja damals wenig verdient. Das mag durchaus sein, dem wird aber zumindest in der Rentenberechnung auch Rechnung getragen. Die Rente ist grundsätzlich ein Spiegelbild des versicherten Einkommens. Der Verdienst, den der Einzelne in einem bestimmten Kalenderjahr erzielt hat, wird in das Verhältnis gesetzt zum durchschnittlichen Arbeitsverdienst aller Versicherten im gleichen Kalenderjahr.

Ein Beispiel:

Der Verfasser dieses Artikels ist 1952 geboren und hat nach Abschluss seiner Ausbildung ein monatliches Einkommen von 1.078,00 DM brutto im Jahr 1972 erhalten. Dieses Einkommen hat er 12 Monate lang bekommen, und er bekam noch ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe, wovon allerdings nach damaliger Rechtslage 100,-- DM beitragsfrei waren. Insgesamt hat er im Kalenderjahr 1972 ein beitragspflichtiges Einkommen in Höhe von 13.914,00 DM erzielt. Wie viele Entgeltpunkte ergeben sich daraus? Das Durchschnittseinkommen aller Versicherten im gleichen Kalenderjahr (1972) betrug 16.335,00 DM. 13.914,00 DM: 16.335,00 = 0,8518 Entgeltpunkte. Aus diesen 0,8518 Entgeltpunkten ergibt sich heute eine – abschlagsfreie – Rente in Höhe von 27,38 €.

Das Durchschnittseinkommen aller Versicherten in den einzelnen Kalenderjahren wird entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter angepasst. Ein niedriger Verdienst in der Vergangenheit allein kann nicht der ausschließliche Grund für eine niedrige Rente sein.

Das Resümee des Verfassers:

…Auszug ende …

 

Lothar Poguntke, Weilheim

 

Der vollständigen Bericht von Lothar Poguntke ist in DAK-VRV Aktuell 02/19 nachlesbar.

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